Blog-Post-Serie | #1

arbeiten und surfen

Surfen und Arbeiten – wie geht Surf-Work-Balance?

„Das Hobby zum Beruf machen“ – eine gängige Floskel, die meiner Meinung nach aber in den wenigsten Fällen zutrifft. Ok, Fußballprofi, klar. Oder Nerd wird Entwickler bei einem Computerspielehersteller. Hobbysänger wird Rockstar. Wohl eher Ausnahmen! Ich kenne zum Beispiel keinen Lehrer, der „Kinder“ als sein Hobby angibt. Sind Juristen leidenschaftliche Verfechter von Gerechtigkeit? War Käpt´n Iglo Hobbyangler?

Wie auch immer, bei uns Brettsportlern ist dieser Traum sowieso schwierig zu verwirklichen. Surfen und arbeiten, und zwar mit einem guten Mischungsverhältnis – gar nicht so einfach. Vor allem wenn du ein deutscher landlocked Surfer bist! Ich kenne nur einen Deutschen, der Surfprofi ist und davon wirklich gut leben kann – und der ist in Portugal aufgewachsen. Kiter? Der ein oder andere lebt wohl von seinen Sponsoren ganz ok, aber was ist, wenn das Knie nicht mehr mitspielt oder man auf die vierzig zugeht?

Immer nur Hängematte? Geht, aber woher kommt der Lebensunterhalt?

Für mich ist das Thema „Profi“ sowieso durch (ok ok, es stand nie zur Auswahl!) – aber das ist überhaupt nicht schlimm! Heutzutage gibt es so viele Möglichkeiten und Angebote, diesen Traum trotzdem zu leben. Vielleicht wirst du nicht direkt für dein Hobby oder deine Leidenschaft bezahlt, aber zumindest kannst du auf eine Art und Weise Geld verdienen, die dir genug Freiraum für all die Dinge schafft, die dich wirklich glücklich machen.

Ich persönlich habe versucht einen Job zu finden, der mir genug finanzielle Möglichkeiten und vor allem Zeit ermöglicht, um Surfen, Kiten und/oder Reisen zu gehen. Oder mir die Möglichkeit bietet, von unterwegs zu arbeiten. Als freier Journalist klappt das mal besser, mal schlechter. Für diese Art der Arbeit wurde inzwischen auch eine Bezeichnung gefunden – die Bewegung der „digitalen Nomaden“ ist gerade in großen Schritten auf dem Vormarsch. Hoch lebe das Computerzeitalter – zumindest mit all seinen positiven Seiten!

Falls du dich auch dafür interessierst, hier sind ein paar Beispiele von Leuten, die das ziemlich erfolgreich praktizieren und ihre Erfahrungen und Tips gerne weiter geben:

Viel Surfen, weniger arbeiten? Läuft!

Aber was genau machen Surfer richtig, die trotz Arbeit ausreichend auf´s Brett kommen? Was sind ihre Tricks und Kniffe? Leben alle als „digitale Nomaden“, oder kann man auch mit einem 9-5-Job seine Surf-Sucht befriedigen? Welche Möglichkeiten gibt es?

Im letzten Jahr habe ich einige Menschen kennen gelernt, die für sich einen Weg gefunden haben, um viel Zeit auf dem Brett zu verbringen und dabei trotzdem das nötige Einkommen zu generieren. Gerne möchte ich einige davon in der Zukunft hier bei travelonboards vorstellen. Hier ist der Erste meiner surfenden Arbeiter!

Surfender englischer Gentleman!

Auf meinem letzten Surftrip durch Panama (Bericht folgt) habe ich jemanden getroffen, der all die oben genannten Kriterien perfekt erfüllt. Gäbe es das Unterrichtsfach „surfender digitaler Nomade“, dann hätte Jordan Lawrence eine eins plus, mit Sternchen und Smiley! Und zwar aus folgenden Gründen: Er arbeitet auf der ganzen Welt, er ist enorm erfolgreich, und er ist ein ziemlich guter Surfer!

Die Dame unserer Reisegruppe bescheinigt ihm auch noch gutes Aussehen und hervorragende Manieren – hat der Mann auch irgendwelche Fehler? Ehrlich gesagt – ich konnte keine entdecken. Denn zu alledem ist Jordan auch noch ziemlich sympathisch und ein guter Surf-Buddy, als Engländer pflegt er britisches „understatement“ – nur weil ich ihn mit Fragen gelöchert habe, hat er mir von seinem erfolgreichen Unternehmen mit fünf Büros in Amsterdam, Kapstadt  und Los Angeles erzählt.

travelonboards:
Jordan, das Wichtigste zuerst – wie war deine Surf-Session heute morgen?

Jordan:
Perfekt, ich habe ein neues Brett ausprobiert mit etwas mehr Volumen, das hat sich ausgezahlt. Ich konnte direkt am Peak sitzen und die Wellen früher als der Rest des Line-Ups anpaddeln. Ich hatte jede Menge Spaß!

travelonboards:
Wie bist du zum Surfen gekommen?

Jordan:
Als ich sieben war sind wir nach Lanzarote gezogen, dort war jeden Freitag eine Stunde Surfen auf dem Stundenplan, mit elf Jahren stand ich dann zum ersten mal auf einem Windsurfbrett. Vier Jahre später sind wir zurück an die Südküste Englands umgezogen, in Devon drehte sich alles um Wassersport – für mich gab es irgendwann nur noch Surfen und Kiten. Ich war regelrecht süchtig danach, wollte Profi werden – dafür hat es aber nicht ganz gereicht.

travelonboards:
Trotzdem hast du einen Weg gefunden, mit Surfen und Kiten Geld zu verdienen?

Jordan:
Ja, das war Glück – und viel Arbeit! Einer meiner Surf-Buddies war der Direktor der örtlichen Bank, er wusste, dass ich Arbeit suche. Er hat vorgeschlagen, dass er mir Geld gibt wenn ich einen Surf-Shop aufmache und ihn mit Material versorge! Für mich war das die Chance – mit 17 die Schule abgebrochen, vier Jahre später stolzer Surf-Shop-Besitzer! Ich habe meinen Traum gelebt, kurze Zeit später sind sogar noch zwei Läden dazu gekommen!

Mit 21 Jahren betreibt Jordan Surf-Shops in Poole, Kent und Brighton, außerdem unterrichtet er Kitesurfen – er arbeitet enorm viel und kommt immer seltener dazu, selber aufs Brett zu steigen. Nach zwei Jahren stell er fest, dass sich der Sport und die ganze Szene drumherum verändert – und das er keinen Bock mehr hat. Die Leute seien nicht mehr aus Liebe zum Sport gekommen, sondern nur noch, um mit einem Action-Foto angeben zu können. Irgendwann hat Jordan dann auch noch einen Kite-Unfall, knallt dabei in einem fahrenden Linien-Bus und verletzt sich böse – Kaffe auf in Sachen „Surf-Shop“, aber was tun?

Jordan:
Ich hatte die Schnauze voll und wollte auch weg aus der Kleinstadt, die Mentalität hat mich zunehmend eingeengt. Also habe ich die Surfshops verkauft und bin erst mal ein Jahr durch die Gegend gereist und Snowboarden gegangen. Irgendwann fand das aber meine damalige Freundin Mist, außerdem wollte ich ja auch wieder etwas machen womit ich Geld verdiene. Wegen der jungen Dame bin ich dann nach Amsterdam gezogen, und dort habe ich zum Glück dann einen meiner ehemaligen Angestellten getroffen, er hat mir den entscheidenden Tipp gegeben: Personalvermittlung! Die Freundin war irgendwann weg, dafür hatte ich einen Businessplan!

travelonboards:
Ok, und wie hast du aus einem Tipp ein erfolgreiches Unternehmen gemacht! Ich habe andauernd Ideen, die aber selten das Licht der Welt erblicken!

Jordan:
Ich habe dann ein Jahr lang in einem Headhunter-Unternehmen gearbeitet, beobachtet und gelernt. Danach bin ich mit meinem Wissen nach Tarifa gegangen und habe von dort mein eigenes Unternehmen gestartet. Es war die Zeit gegen Ende der Finanzkrise, also für mich ein guter Zeitpunkt einzusteigen. Außerdem habe ich mir eine Nische im Bereich Personalvermittlung gesucht, die für die Zukunft erfolgsversprechend aussah – heute vermittle ich Arbeitskräfte, die sich mit Online-Bezahlsystemen und ähnlichem auskennen, solche Leute werden inzwischen auf der ganzen Welt gesucht!

travelonboards:
War das die Voraussetzung bei deiner Berufs-Wahl – ortsunabhängig zu sein und surfen zu gehen?

Jordan:
Definitiv! Die Branche ist perfekt, um ortsunabhängig zu arbeiten – ich brauche einen Laptop, mein Telefon und Internet! Mein Ziel war es schon immer, mit etwas erfolgreich zu sein, das ich auch persönlich liebe. Meine Leidenschaft ist nicht die Personalvermittlung, aber es ermöglicht mir, das zu tun was ich mag – Surfen und Kiten! Wenn ich nicht regelmäßig auf einem Brett stehe, werde ich unglücklich – deshalb hatte das schon immer oberste Priorität für mich.

Diesen Traum hat sich Jordan verwirklicht, für das Ziel hat er hart gearbeitet. Gerade zu Beginn war er nur unterwegs und hat malocht. Inzwischen schafft er die Balance ganz gut, inzwischen arbeiten Leute für ihn, die ihn entlasten, einige Jobs hat er outgesorced.

Hier auf diesem Surftrip verbringt er pro Tag ungefähr zwei Stunden vor dem Computer –  sowieso bleibt er lieber im Hintergrund, „mit dieser Taktik vermisst niemand mein Gesicht, wenn ich mal länger irgendwo zum Surfen oder Kiten abtauche.“ Seine fünf Büros befinden sich zufälligerweise an Orten, wo er sich auch hervorragend Kiten und/oder Surfen lässt: Kapstadt, Californien…

travelonboards:
Was glaubst du wieso du es geschafft hast, einen „surf-freundlichen“ Job zu finden und damit auch noch richtig erfolgreich zu sein?

Jordan:
Das mag sich seltsam anhören, aber ich glaube nicht an die schulische Asubildung! Ich konnte ein erfolgreiches Unternehmen nur aufbauen, weil ich zu diesem Zeitpunkt schon zehn Jahre Berufserfahrung hatte. Ich wusste, wie man Dinge verkauft, Leute für sich gewinnt, und was es bedeutet, hart zu arbeiten. Und ich bin anders an die Sache ran gegangen! Nicht „auf was habe ich Lust“, sondern „was kann ich machen, damit ich das machen kann, worauf ich Lust habe“ – auf diesen Gedanken habe ich alles aufgebaut. Und ein wenig Glück und der Zufall hat natürlich auch noch eine Rolle gespielt – wie immer im Leben.

travelonboards:
Was würdest du einem Surfer empfehlen, der aufgrund seiner Verpflichtungen zu wenig auf dem Brett steht?

Jordan:
Sei mutig! Sammle deinen Ideen und setzte sie um – wenn nur eine davon funktioniert kan das schon genug sein. Eine Idee ist mehr, als viele andere Menschen da draußen haben!

travelonboards:
Surfen scheint mir in deinem Fall mehr als nur ein Hobby zu sein?

Jordan:
Alter, Surfen hat mein Leben bestimmt – und das ist kein Floskel. Für mich ist Surfen wie Meditation, draußen im Line-Up bekomme ich meine innere Ruhe. Außerdem bin ich der festen Überzeugung, dass dir Surfen auch viel für dein berufliches Leben beibringt: Egal, was da auf dich zugerollt kommt, du musst dich damit auseinandersetzen. Außerdem musst du in sekundenbruchteilen Entscheidungen treffen, oft aus einem Reflex heraus oder aufgrund deines Bauchgefühls. Für mich war das Surfen immer die beste Schule!

travelonboards:
Wie geht es weiter mit Dir, was sind deine Pläne?

Jordan:
Langfristig habe ich keine Lust, mein Leben lang zu arbeiten. Am liebsten würde ich heute aufhören und nur noch surfen (lacht). Ich will einfach irgendwann die Gewissheit haben, dass ich aufhören kann und trotzdem finanziell unabhängig bin. Gerade bin ich dabei, weiter Unternehmen aufzubauen, um mich für später breiter aufzustellen. Ich habe regelmäßig Ideen und setze die dann mit anderen um – manche funktionieren, manche nicht. Und kurzfristig? Ich wachse jetzt mein Brett und mach mich auf den Weg zur nächsten Surf-Session!

travelonboards:
Hey Jordan, danke für das Gespräch! Und warte, ich komm mit!

Welche Tips für eine optimale Surf-Work-Balance hast du? Lebst du schon deinen Surf-Arbeite-Traum oder planst du gerade den Wechsel „auf die andere Seite“? Ich freue mich über deine Kommentare, Anregungen und Fragen!

Folge mir ins Line-Up und du bist garantiert immer informiert, was rund ums Surfen, Kitesurfen und den anderen Actionsportarten passiert!

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7 Kommentare
  1. Tibo
    Tibo sagte:

    Hallo Stefan,
    MALWIEDER einwirklich guter Beitrag, hab ihn leider erst jetzt entdeckt ^^ Ich arbeite mich Abend für Abend immer weiter durch deinen Blog, ich feier ihn einfach!
    Danke für all das, es ist motivierend, inspirierend und auch einfach gut geschrieben^^ TOP
    weiter so
    Ich hoffe ich bekomme alles hin was ich 2017 vorhabe

    ich wünsche euch allen eine schöne (leider kalte) Weihnachtszeit und einen guten Rutsch ins neue Jahr 😉
    Tibo

    Antworten
  2. Natalie
    Natalie sagte:

    Hi,
    Ich bin schön spießig über Studium, Qualifikation und Berufserfahrung als skilled migrant nach Neuseeland gekommen, zum einen weil ich mich in Land und Leute verliebt habe, zum anderen weil ich das landlocked Dasein satt hatte – ich wollte dass surfen im positiven Sinne „Alltag“ für mich ist. Ich bin andererseits kein Aussteiger und will ja auch irgendwann eine Familie ernähren können. Das heißt für mich kein surf wenn ich Nachtdienst Woche habe, und im Winter nur am Wochenende, da ich 8-5 arbeite und es um 5 pm dunkel wird. Aber im Grunde kann ich trotzdem das ganze Jahr über ins Wasser, ne menge Spots sind in der Nähe und jetzt im Sommer war ich tatsächlich an 5-6 Tagen in der Woche surfen, obwohl ich Vollzeit arbeite. Dann bin ich zwar erst spät im Bett und muss am nächsten Tag zur Arbeit, but it would be worse, aye?
    Seit einem Jahr bin ich hier mit meinem hubby glücklich und seit Juli sind wir residents, dh wir haben eine unbegrenzte AufenthaltsGenehmigung. Im Urlaub fahren wir trotzdem surfen, sei es in NZ oder overseas 🙂
    Der surf ist nicht immer perfekt hier deep down south, aber wir fühlen uns wohl und sind in die community aufgenommen. Wenn der surf gut ist, springt auch mal ein Kollege für mich ein oder ich darf eher nach Hause, in D wäre das undenkbar gewesen!
    http://i.stuff.co.nz/southland-times/news/76468658/Surfing-in-Southland-a-saviour-a-shot-at-glory-and-an-incredible-opportunity

    Cheers, Natalie

    Antworten
  3. Isa
    Isa sagte:

    Hej Stefan,
    danke für den inspirierenden Artikel. Er kommt gerade genau richtig für mich. Ich freue mich schon sehr auf die nächsten Artikel!
    Lieben Gruß, Isa

    Antworten
  4. Pascal
    Pascal sagte:

    In der Schweiz für gutes Geld arbeiten und sich für den nächsten Trip fit halten, und dann (im Optimalfall) ein paar Monate am Stück in günstigeren Ländern surfen. Aber daneben gibt es noch viele weitere Tricks um entweder Geld zu sparen, oder etwas dazu zu verdienen…

    Antworten
    • Stefan Heinrich
      Stefan Heinrich sagte:

      Hallo Pascal, das ist natürlich wirklich eine effektive Methode! Wie ich sehe und lese, praktizierst du das ziemlich erfolgreich. Schönen Blog hast du, ich folge Dir schon eine ganze Weile! Weiter so – vielleicht sehen wir uns ja mal im Line-Up!

      Antworten

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