Surfen und arbeiten – wie geht Surf-Work-Balance?

Serie #6: Surflehrer und Surfcampleiter Alex

In der Abteilung Klischees steht der Surflehrer heute für das, was früher mal der Tennislehrer war: Mega cool, immer gut drauf, Frauen-Magnet! In einigen Surfcamps weltweit werden diese Vorurteile auch nach Lust und Laune bestätigt, bei meinem Besuch im A-Frame Surfcamp in El Palmar allerdings durfte ich mich davon überzeugen, dass es auch durchaus noch ganz andere Typen in dieser Branche gibt.

Alex Wegener ist ein eher ruhiger Vertreter seiner Zunft, dadurch aber nicht weniger sympathisch – im Gegenteil, seine ehrliche, authentische und empathische Art macht ihn für mich zum Super-Surflehrer. Hätte ich ein Surfcamp, würde ich ihn als Surfcamp-Leiter einstellen, dass ist nämlich seine Hauptaufgabe derzeit in Andalusien.

Obwohl erst 27 Jahre alt, hat er schon Verantwortung über ein rund zehnköpfiges Team und bis zu 25 Gästen – und er hat den Laden auf charmante Art im Griff. Ich habe im A-Frame-Surfcamp rundum glückliche und zufriedene Gäste-Gesichter gesehen. Im Gegensatz zu vielen anderen Camps geht es hier entspannt, aber organisiert und mit Plan zu. Ganz abgesehen von seiner guten Arbeit surft Alex richtig gut, Wellenreiten ist für ihn vor allem Leidenschaft und Lifestyle – und eben nicht nur posen und von Bar zu Bar surfen!

Surflehrer – Sommer, Sonne und nur Surfen?

Viele junge Surfer haben den Traum, ihr Hobby zum Beruf zu machen und werden Surflehrer, die meisten sind glücklich damit, einige aber werden von den Anforderungen überrumpelt und scheitern an den Erwartungen, Aufgaben und Arbeitszeiten. Das Gleichgewicht zwischen Party und Surfen gerät schnell durcheinander, der Fokus liegt oft nicht mehr auf dem Surfschüler, sondern vor allem auf der Surfschülerin und die Zeit mit ihnen außerhalb des Line-Ups.

Was bedeutet es eigentlich im Alltag, Surflehrer zu sein oder ein Surfcamp zu leiten? Ist das nur Sommer, Sonne und surfen? Auf meinen Surftrips habe ich viele Surflehrer und Surfcamp-Mitarbeiter kennen gelernt, die ihr Leben voll und ganz nach dem Surfen ausrichten, die gerne ihr Wissen weiter geben und sich aufrichtig freuen, wenn Surf-Anfänger Fortschritte machen. Das ist richtig Arbeit, zehn oder mehr Stunden am Tag, sobald du als Surflehrer im Camp oder am Strand auftauchst, bist du Ansprechpartner – das unterschätzen viele am Anfang. Für mich kam der Job als Surflehrer nie in Frage, darum habe ich mir auch nie wirklich Gedanken darüber gemacht, ob und wie weit die Vorstellunge und die Wirklichkeit des Surflehrer/Surfcampleiter-Daseins auseinanderklaffen.

Alex gewährt einen interessanten Einblick in ein Leben, das eben nicht immer nur aus Sommer, Sonne und Surfen besteht!

Alex bei der Arbeit!

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Na, warst du heute schon im Wasser?

Alex
Ja, ziemlich früh, heute kommen neue Gäste an, da muss ich natürlich im Camp sein. Normalerweise schaffe ich aber eine „early-session“ und bin dann vor neun zum Frühstück für die Gäste im Camp

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Wie lange bist du in El Palmar als A-Frame-Surfcampleiter?

Alex
Eigentlich immer so von September bis Mai, dann ist hier die beste Zeit für Wellen. Zwei Monate reise ich meistens für mich durch die Gegend, dann bin ich noch in einem Kletter-Camp in der Bretagne. Dieses Jahr werde ich versuchen, mehr in Berlin zu sein, meine Freundin ist dorthin gezogen.

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War es von Anfang an dein Plan, Surflehrer zu werden, bzw. ein Camp zu leiten?

Alex
Nein, überhaupt nicht! Ich klettere seit ich klein bin und habe deswegen in diesem Camp in der Bretagne gearbeitet, irgendwann habe ich dort dann das Surfen für mich entdeckt. Die Jungs fragten dann irgendwann, ob ich mal einen Surfkurs übernehmen will. Da ich vom Surfern so fasziniert war, dachte ich mir, dass ist eine gute Gelegenheit, noch mehr zu surfen und dabei Geld zu verdienen. Inzwischen macht es mir auch einfach Spaß, andere davon zu überzeugen, wie schön Wellenreiten ist. So war das, ich bin übers Klettern in der Bretagne zum Surfen in Andalusien gekommen!

Campleiter mit Stil!

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Wie sieht den dein Arbeitsalltag aus – bist du zufrieden mit deiner Surf-Work-Balance?

Alex
Ja, eigentlich schon. Ich muss so zwischen vier und acht Stunden arbeiten, je nachdem was im Camp ansteht. Ich bin immer zu den Essenszeiten hier und natürlich, wenn neue Gäste ankommen. Ansonsten arbeite ich meine Aufgaben ab, organisiere Termine und koordiniere den Tagesplan. Manchmal übernehme ich auch den Surfunterricht, wenn gerade Not am Mann ist. Ansonsten kann ich mir meinen Tag aber selber einteilen, manchmal schaffe ich es dreimal am Tag ins Wasser, manchmal gar nicht – aber im Schnitt bin ich sehr zufrieden mit meiner Surf-Work-Balance! Vielleicht hätte ich gerne mal das ein oder andere Wochenende frei, dann könnte ich zum Surfen nach Portugal fahren (lacht)!

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Ist Surflehrer und/oder Surfcampleiter ein Traumjob?

Alex
Definitiv. Aber es kommt wie bei jedem anderen Job auf die Bedingungen an, und was du daraus machst. Ich zum Beispiel könnte in keinem Camp arbeiten, wo jeden Abend gefeiert wird und das Durchschnittsalter um die zwanzig ist. Meine Prioritäten sind andere – aber auch dafür gibt es die entsprechenden Camps. Es ist kein Zufall, dass ich das A-Frame-Surfcamp leite, hier steht Surfen an erster Stelle, gutes Essen, Ruhe und Entspannung rücken in den Vordergrund. Ich denke, wenn du selber genau weißt, was du brauchst und dann das Entsprechende findest, dann kann es durchaus ein Traumjob sein. Es kann aber auch ein Alptraum sein.

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Inwiefern?

Alex
Surflehrer ist kein „geschützter Beruf“, das heißt wir haben keine Regelung über Einkommen und Arbeitszeiten, es gibt keine Gewerkschaft oder ähnliches. Ich kenne Surfcamps, in denen werden Surflehrer und die Teamer echt ausgenutzt und in kurzer Zeit verschlissen. Ich finde, da stehen die Surfcamps in der Pflicht, sich fair gegenüber ihren „Arbeitnehmern“ zu verhalten – sei es in Bezug auf Bezahlung oder die allgemeinen Arbeitsbedingungen. Aber natürlich liegt es auch an einem selber, sich einen guten Deal auszuhandeln – oder vorher mal bei den Kollegen nachzufragen, wie es in dem Camp so läuft.

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Verdient man denn als Surflehrer oder Campleiter genug zum leben?

Alex
Nein, natürlich nicht (lacht)! Doch, es passt schon. Arne, unser Chef, bezahlt mich fair, außerdem sind meine Ausgaben sehr gering! Ich kann mir eigentlich während jeder Saison etwas zurück legen. Am Ende liegt es an einem selber, wie gut man verhandelt!

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Gibt es einen Typ Mensch, der sich zum Surflehrer besonders gut eignet?

Alex
Nein ich denke nicht. Das ist wie bei andern Berufen auch, es gibt gute und es gibt schlechte Surflehrer. Ich glaube eher, dass Problem in der Surflehrer- und Camp-Szene ist das Alter der Leute. Die meisten sind sehr jung und wissen gar nicht so genau, was sie eigentlich wollen. Klar, surfen – aber das reicht auf Dauer halt nicht im Leben. Das Bild, dass durch die Medien, Sozialen Netzwerke und ähnlichem vermittelt wird, ist natürlich auch sehr oberflächlich: Sonne, immer gute Wellen, Party ohne Ende. Dass du aber Geld verdienen musst, vielleicht auf Dauer nicht 16 Stunden am Tag arbeiten kannst, irgendwann eine Familie hast, das erzählt dir keiner.

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Wenn ich am Strand manchmal Surflehrer beobachte, dann frage ich mich, ob die sich überhaupt ernsthaft für Surfen interessieren, ob das ihre Leidenschaft ist?

Alex
Für so manchen mag ein großer Antrieb auch sein, bei den Mädels zu landen. Als Surflehrer wirst du schon umgarnt, die Gefahr abzuheben, ist groß. In einem Party-Surfcamp wird den Nachwuchs-Leuten einfach nicht das normale Gesellschaftsbild vermittelt, da geht es um Saufen, Sex und Party. Das mag ja mal ok sein, aber wenn du das über Monate machst, dann stumpfst du ab.

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Was würdest du den jemandem raten, der sich zum Surflehrer ausbilden lässt?

Alex
Mach dir im Vorfeld klar, wer du bist und was du möchtest – und meide dann gegebenenfalls die Partycamps. Informiere dich vorher über die Arbeitsbedingungen und halte am besten vertraglich fest, wo du wie lange zu welchem Preis arbeitest. Es gibt genug Möglichkeiten in Camps zu arbeiten, wo Leute mit deiner Wellenlänge sind. Ich treffe hier so viele interessante Gäste mit tollen Geschichten aus völlig unterschiedlichen Gesellschaftskulturen, hier wohnen Herz-Chirurgen, Postboten, Grundschul-Lehrerinnen. Das ist schon toll – so ist es auch ein Traumberuf.

Alex und sein Surflehrer-Kollege Johnny

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Du bist rund acht Monate hier im Camp, deine Freundin wohnt in Berlin – auch keine einfache Konstellation, oder?

Alex
Nein, das ist es nicht. Aber wie gesagt, dieses Jahr werde ich versuchen öfter in Berlin zu sein. Das Ziel ist es, die Abstände zwischen unseren Wiedersehen nach und nach zu verringern. Wenn man als Surflehrer oder Campleiter eine Freundin, Frau oder sogar Familie hat, dann muss man sich feste Zeiträume schaffen, die nur dafür da sind. Oder man arbeitet zusammen, meine Freundin hat eine Weile hier mitgeholfen, aber das Campleben war nichts für sie. Das finde ich völlig in Ordnung, das gemeinsame Arbeiten birgt nämlich wieder ganz andere Herausforderungen. Wir verbringen die Zeit in der Bretagne zusammen, dort haben wir uns ein Art „Heimat“ geschaffen.

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Und wie ist das mit der Eifersucht?

Alex
Wir sind beide nicht eifersüchtig, ansonsten kannst du so einen Job nicht machen. Eifersucht bringt dich aber sowieso nicht weiter, das einzige was in einer Beziehung zählt, ist Vertrauen – und das haben wir beide im anderen!

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Fällt dir in den acht Monaten Campleben eigentlich auch mal die Decke auf den Kopf?

Alex
Na klar, das ist doch menschlich! Anders als früher weiß ich aber damit inzwischen besser umzugehen, ich spüre, wie viel ich abkann! Zum Beispiel habe ich mir hier meine eigene Bude gemietet, um so einen gewissen Abstand zu schaffen. Wir sind hier aber ein super Team und verstehen uns alle ziemlich gut, das hilft ungemein! Wenn es gar nicht mehr geht, dann gehe ich einfach alleine Surfen – das hilft eigentlich immer!

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Danke für das offene Gespräch Alex, jetzt wünsche ich dir gute Wellen! Vielen Dank an das A-Frame-Surfcamp für die Einladung – es war mir ein Vergnügen!

Demnächst bei travelonboards: 

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